Commerzbank Analysen
Autoindustrie: Zwischen Demontage und neuen Hoffnungen
Laut einer Studie des Forschungsinstituts CAR wird der globale Autoabsatz im laufenden Jahr um rund 5 Prozent sinken und damit stärker als nach der Finanzkrise 2008. Schuld daran sind unter anderem die von den USA weltweit angezettelten Handelskriege. Aber auch hausgemachte Probleme wie die Diesel-Affäre setzen den Autobauern zu. Zuversicht schöpfen die Konzerne dagegen aus neuen Technologien, Umstrukturierungen und möglichen Partnerschaften.
Die arg gebeutelte Autoindustrie produziert derzeit Nachrichten am laufenden Band. Auf der einen Seite beherrschen immer noch die Zolldrohungen aus den USA das Geschehen. Auf der anderen Seite versuchen sich die Konzerne bestmöglich für die Zukunft aufzustellen. So kam es bei Daimler im Mai nicht nur zu einem Führungswechsel, auch wird der Autobauer nun in drei Sparten aufgeteilt. Volkswagen räumt bei sich zu Hause ebenfalls auf und brachte Ende Juni seine Lkw- und Bustochter Traton an die Börse. Für einen echten Paukenschlag in der Branche sorgten Fiat Chrysler und Renault mit überraschenden Fusionsplänen.
Grafik 1: BMW versus Daimler versus Volkswagen
Auf Brautschau
Zu der Verschmelzung zum weltweit drittgrössten Autobauer wird es allerdings nicht kommen, Fiat Chrysler liess den Deal platzen. Schuld daran hat nach Ansicht der Italiener der französische Staat, der 15 Prozent der Anteile an Renault besitzt und sich zu stark in die Verhandlungen einmischte. Damit muss die Fusion aber noch nicht endgültig ad acta gelegt werden, es ist durchaus denkbar, dass die Italiener wieder an den Verhandlungstisch zurückkommen. Denn aufgrund der Versäumnisse im Zukunftsbereich E-Mobilität ist für Fiat Chrysler eine Partnerschaft dringender als beispielsweise für Renault. Allerdings gibt es am Markt auch Gerüchte, dass Fiat Chrysler mit dem ebenfalls französischen Autokonzern PSA gemeinsame Sache machen möchte.
Die Frage wird dabei sein, ob auch Peugeot an den Italienern interessiert ist. Der Konzern, der vor fünf Jahren noch kurz vor der Pleite stand und sich nur durch eine Kapitalspritze des chinesischen Herstellers Dongfeng Motor am Leben halten konnte befindet sich nämlich derzeit auf der Überholspur. In weniger als einem Jahr schafften die Franzosen die Wende bei der deutschen Opel, die sie 2017 vom US-Rivalen General Motors übernommen hatten. Das sorgte zuletzt sogar für Rekordwerte bei der Rentabilität im PSA-Konzern. Mittelfristig strebt Europas zweitgrösster Autobauer im Autogeschäft eine durchschnittliche operative Rendite von 4,5 Prozent an. Und das, obwohl hohe Investitionen auf den Konzern warten. Auf dem Genfer Autosalon kündigte Peugeot-Chef Jean-Philippe Imparato an, künftig jedes Modell vollelektrisch oder als Steckdosenhybrid anzubieten.
Grafik 2: Tops und Flops – Performance 2019
E-Motoren drehen schneller
Beim Wechsel in Richtung Elektromobilität drückt auch die VW-Tochter Audi mächtig aufs Gaspedal. Vor wenigen Wochen schraubte der direkte Rivale von Daimler und BMW die Latte höher: 2025 sollen mehr als 30 Modelle mit Elektroantrieb angeboten werden, darunter 20 rein batteriegetriebene Fahrzeuge. Bisher waren insgesamt weniger als 20 elektrifizierte Modelle geplant. Audi-Chef Bram Schot hat ein ehrgeiziges Ziel: »Wir wollen das stärkste Angebot an Elektro-Modellen im Premiumwettbewerb haben.«
Die Antwort aus München liess nicht lange auf sich warten. Laut einem aktuellen Medienbericht erhöht auch BMW bei der Markteinführung von Elektromodellen die Gangart. Bereits 2023 und damit zwei Jahre früher möchte der DAX-Konzern 25 elektrifizierte Modelle im Angebot haben. Zudem soll Vorstandschef Harald Krüger das Ziel ausgegeben haben, den Absatz von elektrifizierten Automodellen jedes Jahr um mindestens 30 Prozent zu steigern.
Kraftvoll in die Zukunft
Mit den neuen Elektro-Bestrebungen möchten die Premiumanbieter vor allem das in der Dieselkrise verlorene Terrain wieder gutmachen. Aber nicht nur Zukunftstechnologien sollen für eine Wende sorgen, auch versuchen sich die Konzerne mit weitreichenden Umstrukturierungen wieder fit zu machen. Diese Strategie verfolgt gerade Ola Källenius, der Dieter Zetsche im Mai auf der Generalversammlung als Konzernlenker bei Daimler ablöste. Um den Gewinnschwund zu bremsen, teilt er das Unternehmen in drei selbstständige Töchter für Pkw, Nutzfahrzeuge und Dienstleistungen auf. Anders als bei VW, die im Zuge ihrer Restrukturierungen soeben ihr Lkw- und Busgeschäft an die Börse gebracht haben, steht bei den Stuttgartern ein »Public Offering« einer Sparte derzeit nicht zur Debatte.
Bevor sich der Umbau positiv auf der Ertragsseite auswirken wird – bis 2021 soll im Pkw-Geschäft wieder eine Marge von 8 bis 10 Prozent erreicht werden –, kostet er erst mal Geld: Die einmaligen Kosten summieren sich auf bis zu 700 Millionen Euro. Das ist aber nicht die einzige Baustelle, die Källenius bewältigen muss. Infolge verschiedener laufenden behördlichen Verfahren und Massnahmen bezüglich Mercedes-Dieselfahrzeuge musste der CEO bereits nach wenigen Wochen im Amt eine Gewinnwarnung aussprechen. Die Erhöhung der Rückstellungen um einen hohen dreistelligen Millionenbetrag wird das Ergebnis von Daimler nicht nur im zweiten Quartal, sondern auch im Gesamtjahr negativ beeinflussen. Statt des bisher erwarteten Anstiegs des Konzernergebnisses vor Zinsen und Steuern um 5 bis 15 Prozent wird nun nur mit dem Niveau des Vorjahres gerechnet.
Gefragte Luxuskarossen
Während einige klassische Autohersteller also derzeit kleinere Brötchen backen müssen, drückt der italienische Sportwagenhersteller Ferrari kräftig aufs Gas. 2.610 Fahrzeuge lieferte der Konzern im vergangenen Quartal aus, das waren 23 Prozent mehr als vor einem Jahr. Folglich legten auch Umsatz und Gewinn kräftig zu. Die Erlöse kamen um 13 Prozent auf 940 Millionen Euro voran, der Nettogewinn gar um gut ein Fünftel auf 180 Millionen Euro. Die weiteren Aussichten auf das Jahr sind ebenfalls vielversprechend, denn es stehen neue Modelle wie der 488 Pista Spider an. Zudem ist Ferrari nun auch auf den E-Trend aufgesprungen und hat sein erstes Serienmodell mit Plug-in-Hybrid-Antrieb vorgestellt. Der SF90 Stradale ist mit drei Elektromotoren ausgestattet und bringt es in Kombination mit einem 4,0 Liter grossen V8-Benziner auf eine Leistung von stolzen 1.000 PS.
Früheren Angaben zufolge möchte Ferrari auch das erste vollelektrische Superauto bauen und damit den E-Auto-Pionier Tesla in die Schranken weisen. Der US-Autobauer Tesla zeigt sich seinerseits aber ebenfalls optimistisch. Auf der jüngsten Generalversammlung erklärte Gründer und Vorstandschef Elon Musk, dass er für das laufende Quartal mit Rekordauslieferungen rechne. Zudem sei Tesla auf dem Weg, sein Produktionsziel bis Jahresende von 360.000 bis 400.000 Fahrzeugen zu erreichen.
Auf und Ab
Dass dies eine ambitionierte Prognose ist, zeigt sich mit einem Blick auf das erste Quartal. Unter anderem aufgrund von Lieferschwierigkeiten beim Hoffnungsträger Model 3 brachen die Auslieferungen um 31 Prozent ein. Dies blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Bilanz: Nach zwei Perioden mit schwarzen Zahlen tauchte Tesla wieder in die Verlustzone ab. Der Fehlbetrag summierte sich auf satte 702 Millionen US-Dollar. Auch im zweiten Quartal soll die Farbe Rot dominieren, ehe Musk in der dritten Geschäftsperiode mit der Rückkehr in die Gewinnzone rechnet. Das ständige Auf und Ab bei Tesla sorgte zuletzt auch dafür, dass viel Anlegervertrauen verspielt wurde. Rund ein Drittel seiner Marktkapitalisierung büsste der Titel im laufenden Jahr ein. Und es könnte noch ärger kommen: In Anbetracht der hohen Schuldenlast und der Abhängigkeit von der Nachfrage aus China, die wegen des Handelsstreits mit den USA stark belastet werden könnte, mahnt beispielsweise Morgan Stanley zur Vorsicht. Im schlimmsten Fall müsse mit einem Absturz der Tesla-Aktie auf 10 US-Dollar gerechnet werden, heisst es bei der US-Investmentbank. Zugegeben, dabei handelt es sich um ein »Extrem-Szenario«, allerdings zeigt dies auch, dass sich der Markt nicht mehr leichtgläubig auf die vollmundigen Versprechen von Musk einlässt.
Den Mund voll nimmt auch gerne US-Präsident Donald Trump. Dieser zettelte nicht nur einen Handelsstreit mit China an, sondern nimmt auch die europäische Autobranche ins Visier. Trump droht mit Sonderzöllen von bis zu 25 Prozent auf Auto-Einfuhren, da er diese als potenzielle Bedrohung für die USA sieht. Diese würden nach Berechnungen von DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben allein der deutschen Wirtschaft jährliche Mehrkosten in Höhe von 6 Milliarden Euro bescheren.
Noch ist aber nichts entschieden, Mitte Mai verschob Trump die Entscheidung um bis zu sechs Monate. Aber nicht nur die Zolldebatte zwischen der EU und den USA belastet die Autobauer, auch der wichtige Automarkt in China steht ganz im Zeichen des Handelsstreits. Im Zuge der Verunsicherung kam es im Mai im Reich der Mitte zu einem Rekordrückgang bei den ausgelieferten Neuwagen um 16,4 Prozent. Auch weltweit stehen die Zeichen auf Schrumpfung: Die Experten des Forschungsinstituts CAR prognostizieren ein Minus beim globalen Autoabsatz im laufenden Jahr um rund 5 Prozent.
Grafik 3: Grösste Automärkte weltweit nach Neuzulassungen
Grafik 4: Entwicklung Pkw-Markt weltweit
Fazit
Alle diese Ereignisse zeigen, dass im Autosektor derzeit jede Menge Bewegung ist. Die Kurse könnten je nach weiteren Entwicklungen – sowohl bezüglich des Marktes als auch bei den einzelnen Unternehmen – nach oben und unten düsen. Mit Faktor-Zertifikaten sowie klassischen Hebel-Papieren lässt es sich jederzeit auf der Long- wie auch Short-Seite effektiv positionieren.
Anlageidee: Produkte auf internationale Automobilkonzerne
Warrants
Valor |
Basiswert |
Typ |
Strike |
Laufzeit |
Handelsplatz |
---|---|---|---|---|---|
BMW |
Call |
60,00 EUR |
20.03.2020 |
Swiss DOTS, BX Swiss |
|
BMW |
Put |
66,00 EUR |
20.03.2020 |
Swiss DOTS, BX Swiss |
|
Daimler |
Call |
44,00 EUR |
19.06.2020 |
Swiss DOTS, BX Swiss |
|
Daimler |
Put |
46,00 EUR |
19.06.2020 |
Swiss DOTS, BX Swiss |
|
Tesla |
Call |
210,00 USD |
20.12.2019 |
Swiss DOTS |
|
Tesla |
Put |
200,00 USD |
20.03.2020 |
Swiss DOTS |
|
Volkswagen Vz. |
Call |
135,00 EUR |
20.03.2020 |
Swiss DOTS, BX Swiss |
|
Volkswagen Vz. |
Put |
125,00 EUR |
20.03.2020 |
Swiss DOTS, BX Swiss |
Unlimited Turbo-Zertifikate
Valor |
Basiswert |
Typ |
Stoppschwelle |
Handelsplatz |
---|---|---|---|---|
Ferrari |
Bull |
132,01 EUR |
Swiss DOTS |
|
Fiat Chrysler |
Bull |
9,21 EUR |
Swiss DOTS |
|
Fiat Chrysler |
Bear |
14,78 EUR |
Swiss DOTS |
|
Peugeot |
Bull |
18,22 EUR |
Swiss DOTS |
|
Peugeot |
Bear |
25,93 EUR |
Swiss DOTS |
|
Renault |
Bull |
47,66 EUR |
Swiss DOTS, BX Swiss |
|
Renault |
Bear |
64,85 EUR |
Swiss DOTS |
Faktor-Zertifikate
Valor |
Basiswert |
Strategie |
Faktor |
Handelsplatz |
---|---|---|---|---|
BMW |
Long |
5 |
SIX Exchange |
|
BMW |
Short |
–5 |
SIX Exchange |
|
Daimler |
Long |
4 |
Swiss DOTS |
|
Daimler |
Short |
–4 |
Swiss DOTS |
|
Peugeot |
Long |
6 |
SIX Exchange |
|
Peugeot |
Short |
–6 |
SIX Exchange |
|
Renault |
Long |
4 |
Swiss DOTS |
|
Renault |
Short |
–4 |
Swiss DOTS |
|
Tesla |
Short |
–4 |
SIX Exchange |
|
Volkswagen Vz. |
Long |
8 |
Swiss DOTS |
|
Volkswagen Vz. |
Short |
–8 |
Swiss DOTS |
Stand: 1. Juli 2019; Quelle: Commerzbank AG
Die Darstellung der genannten Produkte erfolgt lediglich in Kurzform. Die massgeblichen Produktinformationen stehen im Internet unter www.zertifikate.commerzbank.ch zur Verfügung.