Analysen

Digitales Zentralbankgeld: Schönes neues Geld

Wird 2021 das Jahr der digitalen Zentralbankwährungen? Das wahrscheinlich noch nicht. Aber im Laufe des Jahres wird die Diskussion darüber weiter an Fahrt aufnehmen und es wird sich zunehmend herauskristallisieren, was für ein technologisches und ökonomisches Design die verschiedenen Zentralbanken für ihr digitales Geld anstreben. Dann lässt sich abschätzen, ob das schöne neue Geld auch Auswirkungen auf die Wechselkurse hat – und falls ja, welche.

CBDC – Was ist das eigentlich?
Digitale Zentralbankwährungen (Central Bank Digital Currencies, CBDC) sind gerade der letzte Schrei. Einer aktuellen Umfrage zufolge befassen sich 80 Prozent aller Zentralbanken intensiv mit CBDCs, während ein Fünftel mittelfristig (in ein bis sechs Jahren) eine Einführung für wahrscheinlich hält. Ursprünglich getrieben von der Angst vor einem geldpolitischen Kontrollverlust angesichts der wachsenden Beliebtheit innovativer Zahlungslösungen und Kryptowährungen, hat das Interesse an staatlich kontrolliertem, digitalem Geld angesichts der Coronapandemie noch einmal deutlich zugenommen.

CBDC sind die logische Konsequenz der fortschreitenden Digitalisierung in einer globalisierten Welt. CBDC sind ein der breiten Öffentlichkeit zugängliches, digitales Zahlungsinstrument, das in nationaler Währung denominiert ist und eine direkte Forderung gegenüber der Zentralbank darstellt (Retail/General Purpose CBDC). Damit sind CBDC am ehesten als digitales Bargeld zu verstehen, in Abgrenzung zu klassischen Bankeinlagen, die zwar digital, aber als Giralgeld eben keine Forderungen an die Zentralbank sind.

Sind CBDCs ein Thema für den Devisenmarkt?
Worum es uns hier ganz klar nicht gehen soll, ist eine Diskussion, wie sich die Einführung von CBDCs auf Aspekte der Makroökonomie und Finanzstabilität auswirkt und wie die vielfältigen technischen, regulatorischen sowie geld- und finanzpolitischen Herausforderungen, die mit der Einführung von CBDCs verbunden sind, normativ zu bewerten sind. Das überlassen wir unseren Volkswirten. Als Währungsanalysten müssen wir uns aber natürlich mit der Frage auseinandersetzen, wie CBDCs auch unsere Arbeit zukünftig beeinflussen könnten.

In einem gemeinsamen Bericht betonen die BIS (Bank for International Settlements) und sieben grosse Zentralbanken, dass CBDCs in erster Linie für den inländischen Gebrauch zugeschnitten sein werden. Gleichzeitig sei man sich jedoch bewusst, dass CBDCs erhebliche Effizienzgewinne im internationalen Zahlungsverkehr ermöglichen, die einerseits zur Akzeptanz von CBDCs beitragen dürften, jedoch andererseits mit dem Risiko gravierender internationaler Spillover-Effekte einhergehen, über die es bisher jedoch noch keine ausreichenden Erkenntnisse gibt.

Da die mit CBDC einhergehenden Vorteile mit Blick auf Sicherheit und Bequemlichkeit vor allem im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr zum Tragen kommen, halten wir rein national konzipierte CBDCs für unwahrscheinlich. Entsprechend sehen bereits weiter entwickelte CBDC-Projekte der chinesischen, schwedischen und kanadischen Zentralbanken vor, dass auch Nichtinländer Zugang zu CBDC haben, zumindest für kleinere Zahlungen, und die EZB plant, dass ein digitaler Euro auch ausserhalb des Euroraums verfügbar wäre (siehe Tabelle 1).

Technische CBDC-Merkmale
Ob und zu welchem Grad eine CBDC grenzüberschreitend verfügbar ist und damit potenziell Folgen für den Wechselkurs haben kann, hängt dabei von der genauen technischen Ausgestaltung ab. Wir orientieren uns hier an der von Raphael Auer und Rainer Böhme entwickelten CBDC-Pyramide (siehe Grafik 1), die die Ansprüche von Verbrauchern an eine CBDC verschiedenen technischen Entscheidungsmöglichkeiten zuordnet. Eine Entscheidung auf der unteren Ebene setzt dabei die Rahmenbedingungen für eine Entscheidung auf der darüber liegenden Ebene.

Grafik 1: CBDC-Pyramide

Die operative und technische Architektur
Die beiden unteren Ebenen der Pyramide betreffen grundsätzliche Entscheidungen bezüglich der operativen und technischen Architektur. Dabei geht es um die Frage, welche Rolle die Zentralbank spielt, welche Aufgaben/Verantwortung Geschäftsbanken oder andere (Finanz-)Intermediäre spielen könnten und wie dies technisch umgesetzt wird. Grundsätzlich sollte im Rahmen einer entsprechenden Abstimmung zwischen den Zentralbanken jede Design-Entscheidung auf dieser Ebene mit einer grenzüberschreitenden, kompatiblen CBDC-Nutzung vereinbar sein.

Konto- versus Token-Lösung
Die dritte Ebene setzt sich mit der Frage auseinander, wie der Wunsch nach Privatsphäre mit dem Wunsch nach einer breiten und einfachen Zugänglichkeit und der Notwendigkeit, regulatorischen Anforderungen zu genügen, in Einklang zu bringen ist.

Auf der einen Seite des technischen Spektrums steht dabei die Konten-Lösung, bei der mittels eines mehr oder weniger ausgeprägten Kenne-deinen-Kunden-(Know-your-customer, KYC-)Prozesses die Identität des Verbrauchers fest- und sichergestellt wird. Die Konten-Lösung könnte eine grundsätzlichere und weitreichendere Kontrolle des internationalen Zugangs zu CBDCs ermöglichen. Denkbar wäre damit eine direkte Steuerung der internationalen Spillover- und Wechselkurseffekte, beispielsweise durch eine Diskriminierung von nationalen und internationalen CBDC-Konten, auch wenn dies mit erheblichen administrativen und eventuell auch rechtlichen Hürden versehen wäre.

Auf der anderen Seite des Spektrums liegt die Token-Lösung, die auf einer reinen Verifizierung der Echtheit des Tokens beruht, was den Zugang erheblich vereinfacht. Wie bei der Bargeld-Nutzung ist damit zumindest theoretisch die vollkommene Anonymität der Transaktionspartner möglich. Bei einer reinen Token-Lösung verliert die Zentralbank daher jegliche Kontrolle darüber, wer die CBDC nutzt. Damit wäre eine weitgehende internationale Verbreitung möglich, einschliesslich der damit einhergehenden Herausforderungen, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu vermeiden.

Die bisherigen CBDC-Projekte (siehe Tabelle 1) setzen in der Regel auf eine Hybrid-Lösung, bei der Zahlungen in geringem Umfang als reine Token-Lösung möglich sind, für eine umfangreichere Nutzung von CBDCs jedoch eine Registrierung notwendig ist.

Internationale Verflechtungen
Abhängig von der Wahl zwischen Konten- und Token-Lösung (bzw. einer Mischung aus beidem) sind also unterschiedliche Grade internationaler Verflechtungen möglich, die daher an der Spitze der Pyramide stehen. Denkbar ist international sowohl eine Wholesale-Lösung, die sich operativ kaum vom bisherigen System unterscheiden muss, aber auch eine Retail-Lösung, bei der Verbraucher ausländische CBDCs direkt halten und miteinander tauschen können. Letzteres dürfte internationale Spillover-Effekte und damit auch die Auswirkungen auf den Wechselkurs verstärken.

Mögliche Konsequenzen von CBDCs für Wechselkurse
Die technische Ausgestaltung bestimmt also, ob eine internationale CBDC-Nutzung grundsätzlich möglich ist und in welchem Rahmen. Das heisst aber noch nicht automatisch, dass diese auch attraktiv ist. Beides muss aber gegeben sein, damit CBDCs für Wechselkurse eine praktische Relevanz haben.

Eine Einschätzung zu den internationalen Auswirkungen von CBDCs erlaubt eine kürzlich erschienene Studie von Ferrari, Mehl und Stracca. Der entscheidende Punkt ihres Modells: Sie sehen eine CBDC als hybrides Finanzinstrument. Es ist im internationalen Gebrauch sowohl liquides Zahlungsmittel als auch Finanzanlage, die, anders als Bargeld, verzinst werden kann. Gibt unter den genannten Bedingungen eine Zentralbank eine CBDC aus, die keinerlei Beschränkungen für grenzüberschreitende Transaktionen unterliegt, ist es bei gleicher Vergütung immer attraktiver, sichere CBDC zu halten, da diese einen zusätzlichen Liquiditätsnutzen haben. Auch für Ausländer. Dadurch hat die Existenz automatisch eine Auswirkung auf den risikofreien Zins im Ausland, der mittels einer Prämie den Liquiditätsnachteil ausländischer Anleihen ausgleichen muss.

Es geht also nicht nur darum, dass im Falle eines Schocks die zu erwartende Flucht in Sicherheit und Liquidität zu einer deutlichen Umschichtung in CBDCs führen dürfte. Vielmehr hat jede Änderung, die beeinflusst, wie attraktiv es für Ausländer ist, CBDC zu halten (zum Beispiel eine zu erwartende Auf- oder Abwertung der heimischen Währung), eine Konsequenz für den risikofreien Zins im Ausland, was sofortige Anpassungen im Wechselkurs zur Folge hat (Theorie überschiessender Wechselkurse). Damit einhergehend ändern sich selbstverständlich auch die Finanzierungsbedingungen im Ausland mit entsprechenden Auswirkungen auf das Konsum- und Investitionsverhalten, was eine geldpolitische Reaktion der ausländischen Zentralbank notwendig machen könnte.

Die Studie bestätigt also die intuitive Erwartung, dass CBDCs erhebliche internationale Spillover-Effekte haben können, die die geldpolitische Autonomie ausländischer Zentralbanken beeinträchtigen und zu einer erhöhten Wechselkursvolatilität führen können. Allerdings weisen sie auch nach, dass diese Effekte entscheidend an den ökonomischen Design-Entscheidungen für eine CBDC hängen. So können Beschränkungen von ausländischen CBDC-Beständen und Transaktionen und/oder eine flexible Anpassung der CBDC-Verzinsung die grenzüberschreitenden Effekte einer CBDC deutlich mindern.

Fazit
Digitale Zentralbankwährungen werden kommen. Unklar ist jedoch noch, ob sie den Devisenmarkt umkrempeln. Es ist davon auszugehen, dass technische Design-Entscheidungen so getroffen werden, dass eine grenzüberschreitende Verfügbarkeit von CBDCs grundsätzlich gewährleistet werden kann. Doch viel entscheidender für Wechselkurse werden ökonomische Design-Entscheidungen sein. Diese werden jedoch einen erheblichen Einfluss darauf haben, wie signifikant CBDCs Wechselkurse beeinflussen werden. Aufgrund der möglicherweise weitreichenden Konsequenzen müssen Devisenmarktteilnehmer diese Entwicklung genau im Auge behalten, auch wenn es noch eine Weile dauern dürfte, bis CBDCs über Währungsraumgrenzen hinweg verfügbar sein werden.