Zeitgeist
Live Entertainment: The show must go on
Nach der Corona-Zwangspause ist die Begeisterung des Publikums für Konzerte und Open Airs grösser denn je – auf die Schweiz kommt ein Konzertsommer der Superlative zu.
Bruce Springsteen kann es nicht lassen. Gerade ist der 73-jährige Rockstar zu einer neuen Welttournee aufgebrochen. Zusammen mit der E-Street-Band ist er seit Anfang Februar in den USA unterwegs. Allerdings bekam der Tour-Tross schon nach wenigen Tagen die Klauen der Pandemie noch einmal zu spüren. Musiker wurden positiv auf das Coronavirus getestet. Springsteen trat dennoch auf. »Aber verdammt noch mal, wir werden Dallas die beste Show bieten, die sie je gesehen haben«, sagte er trotzig. In der Tat bekamen die Fans in der texanischen Metropole ein prall gefülltes Programm geboten. Springsteen-Hits wie »The Promised Land« oder »Glory Days« standen genauso auf der Setlist wie das Commodores-Cover »Nightshift«. Das Bühnencomeback des Altrockers steht exemplarisch für die globale Live-Entertainment-Industrie: Obwohl Covid noch immer unterwegs ist, lassen sich Fans und Künstler die Lust auf grosse Shows nicht mehr vermiesen.
Zu den mehr als 80 Stationen der laufenden Welttournee zählt auch Zürich. Am 13. Juni wird Bruce Springsteen samt Band im Letzigrund auftreten. Mitte Februar waren die Tickets vergriffen. Schon zwei Tage zuvor gibt sich Depeche Mode im Berner Wankdorf die Ehre. Rund ein Jahr nach dem plötzlichen Tod von Keyboarder Andy Fletcher macht sich die britische Synthie-Pop-Band mit Sänger Dave Gahan und Multi-Instrumentalist Martin Gore auf die »Memento Mori«-Tournee.
Der Konzertsommer 2023 hat nicht nur zahlreiche Einzelauftritte – neben den bereits erwähnten Bands kommen weiter Top Acts wie Coldplay, Tom Jones oder Peter Gabriel in die Schweiz – zu bieten. Auf dem Programm stehen zudem mehrere grosse Festivals.
Prall gefülltes Line-up
An das eher jüngere Publikum richtet sich das Open Air Frauenfeld. Auf dem Linie-up des dreitägigen Spektakels stehen mehrere Rap-Superstars wie Travis Scott aus den USA oder der Brite Stormzy. Indie, Punkrock, Pop und Rap bringt das Open Air St. Gallen vom 29. Juni bis zum 2. Juli auf mehrere Bühnen. Unter anderem spielen der schottische Singer-Songwriter Lewis Capaldi, der deutsche Dancehall- und Hip-Hop-Musiker Peter Fox oder die Kultband Wanda aus Österreich auf dem Festival-Areal am Sittertobel. Nachdem das traditionsreiche Open Air 2020 und 2021 pandemiebedingt abgesagt werden musste, kam es im vergangenen Jahr zu einem begeisterten Wiedersehen. Mit insgesamt 110.000 Besuchern war das Open Air St. Gallen vier Tage lang ausverkauft. Die Hoffnung des Sektors, nach der schweren Coronakrise schnell zu einer gewissen Normalität zurückzufinden, haben sich also erfüllt.
Für 2019, dem Jahr vor Corona, hatte die Swiss Music Promoters Association (SMPA) für die Schweiz zum ersten Mal mehr als 2.000 Veranstaltungen gezählt. Während sich die Zahl der verkauften Tickets der Vier-Millionen-Marke annäherte, kletterten die Umsätze über die Schwelle von 400 Millionen Schweizer Franken. Innerhalb eines Jahrzehnts waren die nationalen Bruttoerlöse laut SMPA-Index damit um gut 60 Prozent gewachsen. Mit den Coronawellen kamen jedoch auch die Absagewellen. Die Ticketerlöse brachen in der Schweiz um rund 85 Prozent ein. Zahlen zum Comeback des Gesamtmarktes gibt es noch nicht. Der SMPA-Index wird für gewöhnlich im Mai veröffentlicht.
Enorme Bühnenpräsenz
Ein Blick auf die jüngsten Resultate von CTS Eventim hilft weiter. Der deutsche Veranstalter und Tickethändler ist europaweit aktiv. In der Schweiz betreibt der Konzern zusammen mit Ringier den Kartenhändler Ticketcorner. Anfang 2020 hat CTS Eventim das Veranstaltungsgeschäft hierzulande forciert. Der Konzern übernahm jeweils 60 Prozent an der Zürcher Gadget Entertainment AG sowie der wepromote Entertainment Group Switzerland AG aus St. Gallen. Nach eigenen Angaben konnte das Unternehmen sein Portfolio damit um 400 bis 500 Konzerte pro Jahr sowie zahlreiche Festivals, darunter das Open Air St. Gallen, erweitern.
Die neu entfachte Begeisterung für Live-Events in der Schweiz dürfte dazu beigetragen haben, dass CTS Eventim 2022 ein Rekordjahr verbuchen konnte. Laut vorläufigen Zahlen hat der Konzern einen Umsatz von knapp 2 Milliarden Euro erwirtschaftet. Damit übertrafen die Erlöse das Volumen des bisherigen Spitzenjahres 2019 um ein Drittel. Operativ (Stufe normalisiertes Ebitda) verdienten die Münchener mit 384 Millionen Euro annähernd 100 Millionen Euro mehr als in der vorherigen Geschäftsperiode vor der Pandemie. Angesichts solcher Zahlen überrascht es nicht, dass CTS Eventim zu den Top Acts des deutschen Aktienmarktes zählt. Auf Sicht von zehn Jahren steht für den Mid Cap ein Plus von rund 380 Prozent zu Buche. Zum Vergleich: Der MDAX, zu dessen Mitgliedern der Dividendentitel zählt, kam in diesem Zeitraum um knapp 120 Prozent voran.
Neben seiner Marktmacht spielen dem europäischen Unterhaltungsriesen die hohen Ticketpreise in die Hände. Wer beispielsweise Depeche Mode in Bern erleben möchte, muss mindestens 109,95 Schweizer Franken hinlegen, um noch eine Restkarte zu ergattern. Bei den US-Auftritten von Bruce Springsteen reicht dieser Betrag nur für die hintersten Ränge. Ein Stehplatz direkt vor der Bühne des Konzerts in New York kostet inklusive Gebühren 3.867,50 US-Dollar. Übrigens: Mitte Februar gab es – anders als für die Show im Letzigrund – noch Tickets für den Gig am 1. April im legendären Madison Square Garden.