Analysen
Tourismussektor: Heisser Ritt auf der Reisewelle
Nachdem die letzten Corona-Fesseln gefallen sind, verspüren viele Menschen wieder eine grosse Reiselust. An der Börse hat der Tourismussektor in den vergangenen Monaten dynamisch nach oben gedreht. Airlines, Buchungsportale und Hotelbetreiber bieten auch und gerade für Trader ein spannendes Terrain.
Diese Durchsage zählt zu den Klassikern der Luftfahrt: »Da wir nun unsere endgültige Flughöhe erreicht haben, dürfen Sie Ihre Sitzplätze verlassen.« Passagiere, die die Maschine mit Bauchgrummeln betreten haben, atmen jetzt erst einmal auf. Wohl allzu gerne würden viele Vertreter der Reiseindustrie das bekannte Piloten-Bonmot derzeit im übertragenen Sinne verkünden. Doch auch mehr als drei Jahre nach dem Ausbruch der Coronapandemie hat der Sektor in vielen Bereichen das Vorkrisenniveau noch nicht wieder erreicht. Ein Blick auf die Verkehrszahlen des Flughafens Zürich bestätigt diese These. Knapp 2,1 Millionen Passagiere hat das Drehkreuz nahe der Limmatstadt im März 2023 abgefertigt. Damit bewegte sich das Gästeaufkommen bei 86 Prozent des Niveaus vom Vergleichsmonat 2019 (siehe Grafik 1).
Die Lage am heimischen Grossflughafen passt nahezu perfekt zum globalen Bild. Im Februar 2023 lagen die weltweit geflogenen Passagierkilometer laut den Zahlen der International Air Transport Association (IATA) um 15,1 Prozent unter dem Niveau von vor der Pandemie. National wie international nimmt das Verkehrsaufkommen stark zu: Am Zürcher Flughafen »ZRH« betrug das Wachstum im März 2023 gegenüber dem Vorjahresmonat 58 Prozent. Die IATA meldete für den Februar im globalen Flugverkehr eine fast identische Steigerungsrate von 55,5 Prozent. Besonders stark blüht der Luftverkehr in der Region Asien-Pazifik auf. Hier sind die Wiedereröffnungen in China – Anfang des Jahres hat Peking seine strikte Coronapolitik aufgegeben – ein wesentlicher Treiber.
Grafik 1: Passagierzahlen Flughafen Zürich (monatlich)
Kollektives Fernweh
Nicht nur die nackten Airport-Zahlen dokumentieren die Aufbruchstimmung im Reisesektor. Wer sich zu Ostern auf den Weg in die Ferien gemacht hat, bekam ungeachtet vom Verkehrsmittel einen Eindruck vom kollektiven Fernweh. Am »ZRH« herrschte dichtes Gewusel, lange Staus stellten Autofahrer am Gotthard vor eine Geduldsprobe und bei der SBB waren viele Züge ausgebucht. Es handelt sich hierbei nicht um ein nationales Phänomen, weltweit ist die Reiselust stark ausgeprägt. Insofern stehen die Chancen gut, dass der globale Tourismus im laufenden Jahr weiter kräftig zulegen kann. 2022 hatte sich die Zahl der Ankünfte laut einer Schätzung der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e.V. (FUR) auf 920 Millionen mehr als verdoppelt (siehe Grafik 2). »Der internationale Tourismus ist damit auf dem Niveau von 2010«, stellte Prof. Dr. Martin Lohmann, wissenschaftlicher Berater der FUR, Anfang des Jahres an der Fachmesse CMT in Stuttgart fest.
Nach Ansicht des Professors, der unter anderem am CAS Tourismus und Digitalisierung an der Universität Bern lehrt, haben die generellen Triebkräfte für diesen Wirtschaftszweig Bestand. »Urlaubsreisen stehen bei den Konsumprioritäten weit oben«, erklärte er im Rahmen seiner Präsentation. Der Experte machte keinen Hehl daraus, dass die Geopolitik, übergeordnete Faktoren wie der Klimawandel und die steigenden Preise im Sektor selbst sowie in anderen Lebensbereichen Einfluss auf die Rahmenbedingungen nehmen. »Trotz pessimistischer Einschätzung der kommenden Entwicklung der wirtschaftlichen Lage gibt es in vielen Haushalten noch einen Spielraum für höhere Ausgaben für Reisen«, stellte Lohmann dennoch fest. Er rechnet daher nicht nur für 2023 mit einer höheren Nachfrage, sondern sieht auch für die Zukunft eine dynamische Entwicklung.
So mancher Investor scheint diese Einschätzung zu teilen. Jedenfalls waren die Aktien des Reise- und Freizeitsektors in den vergangenen Monaten angesagt. Der STOXX Europe 600 Travel & Leisure Index legte von Januar bis April 2023 um rund ein Viertel zu (siehe Grafik 3). Zum Vergleich: Für den marktbreiten STOXX Europe 600 Index stand im selben Zeitraum ein Plus von etwa 11 Prozent zu Buche.
Grafik 2: Ankünfte weltweit
Grafik 3: Frühlingserwachen im Reise- und Freizeitsektor
Wertentwicklung des STOXX Europe 600 Travel & Leisure NR Index
Lufthansa: Über den Wolken
Zu den insgesamt 13 im STOXX Europe 600 Travel & Leisure Index enthaltenen Unternehmen zählt Lufthansa. Bei der deutschen Airline und Swiss-Mutter ist der Aufschwung voll angekommen: Im ersten Quartal 2023 beförderte die Gruppe insgesamt 22 Millionen Passagiere – 69 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Den Umsatz konnte der Carrier um 40 Prozent auf 7,0 Milliarden Euro steigern. Wie zu dieser Jahreszeit üblich, flog die Lufthansa im ersten Quartal einen Verlust ein. Neben der Saisonalität lasteten die Kosten für die geplante Ausweitung des Flugbetriebs auf dem Profit. Darüber hinaus verdient die Frachttochter Lufthansa Cargo nicht mehr so üppig wie noch zur Zeit der Pandemie.
»Nach einem guten Auftaktquartal, in dem wir unser Ergebnis deutlich verbessern konnten, erwarten wir nun einen Reise-Boom im Sommer und im gesamten Jahr einen neuen Rekord bei unseren Verkehrserlösen«, erklärte CEO Carsten Spohr. Auf touristischen Kurz- und Mittelstrecken übersteigt die Nachfrage seinen Worten zufolge bereits das Niveau von 2019. In diesem Umfeld kann der Konzern höhere Ticketpreise aufrufen. Im zweiten Quartal sollen die Durchschnittserlöse das Vorkrisenniveau um ein Viertel übertreffen. Gleichzeitig möchte das Management operativ mehr verdienen als im Vergleichszeitraum 2019. Damals stand ein Betriebsergebnis von rund einer Dreiviertelmilliarde Euro zu Buche. Trotz des positiven Ausblicks gab die Lufthansa-Aktie am Tag der Zahlenvorlage nach. Ein Wermutstropfen im Zwischenbericht war der weniger stark als erwartet geschrumpfte Nettoverlust. Das längerfristige Chartbild zeigt, dass der Mid Cap nun erst einmal am Ausbruch über die runde Marke von 10 Euro gescheitert ist (siehe Grafik 4).
Grafik 4: Steigende Flughöhe
Wertentwicklung der Lufthansa-Aktie
Dufry: Auf Expansionskurs
Viele Passagiere der Lufthansa-Gruppe dürften vor dem Start oder nach der Landung an einem Shop von Dufry einkaufen. Der Basler Konzern bezeichnet sich als weltweit führender Reisedetailhändler. Vor Corona brachte es Dufry im Flughafengeschäft auf einen Marktanteil von rund einem Fünftel. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen mit der Übernahme des italienischen Raststättenbetreibers Autogrill in das Segment mit Essen und Trinken (Food & Beverage, kurz F&B) expandiert. Dadurch ist der von Dufry adressierbare Markt – Basis 2019 – um rund 28 Milliarden US-Dollar auf insgesamt etwa 115 Milliarden US-Dollar angeschwollen. In Richtung Ende des zweiten Quartals möchte CEO Xavier Rossinyol die Transaktion abschliessen.
In der Gewinn- und Verlustrechnung für 2022 ist Autogrill noch nicht enthalten. Der Zukauf wird erst seit Februar 2023 konsolidiert. Gleichwohl hat Dufry nach zwei düsteren Coronajahren den Turnaround geschafft: Bei einem organischen Umsatzwachstum von gut drei Vierteln auf 6,88 Milliarden Schweizer Franken verbuchte der Konzern im vergangenen Jahr einen Überschuss nach Minderheiten von 58 Millionen Schweizer Franken. »Wir konnten vor allem in Nord- und Südamerika sowie in Europa stark von der Erholung im internationalen Reiseverkehr profitieren«, freute sich der CEO. Rund 80 Prozent des Vorkrisenniveaus von 2019 seien erreicht worden.
Anfang des Jahres konnte Dufry die Lücke weiter schliessen. »Die Zahlen liegen nur noch etwa 3 Prozent vom Vorkrisenniveau von 2019 entfernt«, erklärte Rossinyol mit Blick auf die Geschäfte im Januar und Februar. Vor allem im zweiten Semester soll die Aufhebung der Covid-19-Einschränkungen in China die Umsätze weiter ankurbeln. Die Dufry-Aktie kommt trotz der positiven Aussichten nicht wirklich in die Gänge. Vielmehr bewegt sich der Mid Cap in einem längerfristigen Seitwärtstrend (siehe Grafik 5). Möglicherweise ist der eine oder andere Investor noch skeptisch, ob und wie schnell die Integration von Autogrill gelingt.
Grafik 5: Im Seitwärtstrend
Wertentwicklung der Dufry-Aktie
Accor: Ein Übernachtungsimperium
Deutlich dynamischer präsentiert sich – zumindest auf kurze Sicht – die Notierung von Accor. Seit dem Jahreswechsel haben sich die Anteilsscheine des französischen Hotelkonzerns um mehr als ein Drittel verteuert. Accor ist ein echtes Beherbergungsimperium. Per Ende März 2023 bot die Gruppe in ihren 5.444 Hotels mehr als 800.000 Zimmer an. Über 1.200 weitere Häuser sind in Planung. Im ersten Quartal konnte Accor die Auslastungsrate konzernweit um 13,6 Prozentpunkte auf 60,3 Prozent steigern. Der stärkere Gästezustrom ging mit deutlich steigenden Preisen einher. Mit 106 Euro übertraf die durchschnittliche Zimmerrate den Vorjahreswert um mehr als ein Fünftel. Pro zur Verfügung stehendem Zimmer verbuchte Accor einen Umsatz von 64 Euro, das waren 56,8 Prozent mehr als in den ersten drei Monaten 2022. Die Kennzahl »revenue per available room« (RevPAR) spielt in diesem Sektor eine wichtige Rolle.
»Angesichts des äusserst positiven Jahresstarts haben wir unsere Prognose für 2023 nach oben angepasst«, erklärte CEO Sébastien Bazin. Er erwartet nun beim RevPAR ein prozentual zweistelliges Wachstum. Zuvor hatte der Konzernchef eine Steigerung zwischen 5 und 9 Prozent in Aussicht gestellt. Für den 27. Juni plant das Management einen Capital Markets Day. Dann möchte Bazin die Reorganisation der Hotelgruppe respektive seine Strategie für die beiden Segmente »Premium, Midscale and Economy« sowie »Luxury & Lifestyle« erläutern.
Airbnb: Zimmervermittler mit Rekordzahlen
Während Accor auf eine 56-jährige Geschichte zurückblickt, kann Airbnb demnächst das 16. Jubiläum feiern. Im Oktober 2007 begrüssten der heutige CEO Brian Chesky und der jetzt als Chairman agierende Joe Gebbia die ersten Gäste in ihren Häusern in San Francisco, AirBed & Breakfast (Airbnb) war geboren. Heute sind mehr als 6,6 Millionen Angebote in mehr als 220 Ländern auf dem Portal gelistet. Bis Ende 2022 haben insgesamt 1,4 Milliarden Gäste ihr Domizil über Airbnb gebucht. Im Dezember 2020 debütierte das Unternehmen an der US-Technologiebörse Nasdaq. Obwohl Corona zu diesem Zeitpunkt massive Einschränkungen für den Sektor nach sich zog, war das IPO heiss begehrt. Zum Handelsstart legte die Aktie gegenüber dem Ausgabepreis um 115 Prozent zu. Damit brachte der Online-Zimmervermittler mehr als 100 Milliarden US-Dollar auf die Börsenwaage.
Zunächst ging der Run auf die Anteilsscheine dieses speziellen Unternehmens weiter. Im Februar 2021 kostete die Airbnb-Aktie annähernd 220 US-Dollar. Doch spätestens im vergangenen Jahr, als der gesamte Technologiesektor ins Börsenabseits geriet, war es mit der Euphorie vorbei. Ende 2022 notierte Airbnb nur noch bei rund 40 Prozent des skizzierten Tops. Nicht zuletzt mit der jüngsten Bilanz konnten die Kalifornier bei den Investoren Vertrauen zurückgewinnen. Operativ war 2022 ein Rekordjahr. In Summe wurden via Airbnb knapp 394 Millionen Übernachtungen gebucht – 31 Prozent mehr als im Jahr 2021. Bei einem Umsatzwachstum von 40 Prozent auf 8,4 Milliarden US-Dollar legte das operative Ergebnis (Stufe angepasstes Ebitda) um mehr als 80 Prozent auf 2,9 Milliarden US-Dollar zu.
Europäer als Frühbucher
Die daraus resultierende Marge von rund 35 Prozent möchte der CEO im laufenden Jahr halten. Gleichzeitig peilt er weiteres Wachstum auf der Umsatzseite an. Zum Bilanztermin Mitte Februar sprach Chesky von einer hohen Nachfrage im ersten Quartal. »Besonders erfreulich ist, dass europäische Gäste ihre Sommerreisen in diesem Jahr früher buchen«, schrieb der Chef und Mitgründer in einem Brief an die Aktionäre. Am 9. Mai (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe) hat das Management von Airbnb die Zahlen für die ersten drei Monate 2023 vorgelegt.
Fazit
Nicht nur zu solchen Anlässen, generell sind die Aktien aus dem Tourismussektor auch und gerade für die Trader interessant. Mitunter zeigen diese Papiere besonders intensive Kursausschläge. Wer die unter anderem von Unternehmens- respektive Sektornews oder charttechnischen Signalen ausgelösten »Swings« abgreifen möchte, findet in Hebelpapieren das hierfür geeignete Instrumentarium.
Wir haben eine Auswahl an solchen Produkten auf Basiswerte aus dem Reisegewerbe zusammengetragen. Bitte beachten Sie: Aufgrund der Hebelwirkung kann es mit der »Flughöhe« derartiger Positionen besonders schnell nach oben gehen. Das bedeutet aber auch, dass überproportionale Verluste drohen, sofern das jeweils zugrunde liegende Tradingkalkül nicht aufgeht.
Produktidee: Hebelprodukte auf Tourismus-aktien
Unlimited Turbo-Optionsscheine
Valor |
Basiswert |
Typ |
Hebel |
Strike |
Stoppschwelle |
Handelsplatz |
---|---|---|---|---|---|---|
Airbnb |
Call |
7,1 |
103,0568 USD |
110,87 USD |
Swiss DOTS |
|
Airbnb |
Call |
5,5 |
97,9768 USD |
105,32 USD |
Swiss DOTS |
|
Lufthansa |
Call |
6,3 |
8,0175 EUR |
8,77 EUR |
Swiss DOTS |
|
Lufthansa |
Call |
3,9 |
7,0803 EUR |
7,75 EUR |
Swiss DOTS |
|
Lufthansa |
Put |
4,9 |
11,4082 EUR |
10,40 EUR |
Swiss DOTS |
|
Lufthansa |
Put |
3,1 |
12,5389 EUR |
11,43 EUR |
Swiss DOTS |
Faktor-Zertifikate
Valor |
Basiswert |
Strategie |
Hebel |
Laufzeit |
Handelsplatz |
---|---|---|---|---|---|
Accor |
Long |
4 |
Open End |
Swiss DOTS, BX Swiss |
|
Accor |
Short |
–4 |
Open End |
Swiss DOTS, BX Swiss |
|
Accor |
Long |
8 |
Open End |
Swiss DOTS |
|
Accor |
Short |
–6 |
Open End |
Swiss DOTS |
|
Dufry |
Long |
6 |
Open End |
Swiss DOTS |
|
Dufry |
Short |
–6 |
Open End |
Swiss DOTS |
|
Dufry |
Long |
8 |
Open End |
Swiss DOTS |
|
Dufry |
Short |
–8 |
Open End |
Swiss DOTS |
Warrants
Valor |
Basiswert |
Typ |
Hebel |
Strike |
Laufzeit |
Handelsplatz |
---|---|---|---|---|---|---|
Airbnb |
Call |
5,2 |
115,00 USD |
15.12.2023 |
Swiss DOTS |
|
Airbnb |
Call |
6,7 |
125,00 USD |
15.12.2023 |
Swiss DOTS |
|
Airbnb |
Put |
7,8 |
115,00 USD |
15.12.2023 |
Swiss DOTS |
|
Airbnb |
Put |
5,8 |
125,00 USD |
15.12.2023 |
Swiss DOTS |
|
Dufry |
Call |
5,1 |
36,00 CHF |
15.12.2023 |
Swiss DOTS |
|
Dufry |
Call |
7,5 |
40,00 CHF |
15.12.2023 |
Swiss DOTS |
|
Dufry |
Call |
4,5 |
36,00 CHF |
15.03.2024 |
Swiss DOTS |
|
Dufry |
Call |
6,1 |
40,00 CHF |
15.03.2024 |
Swiss DOTS |
Stand: Mai 2023; Quelle: Société Générale
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