Zeitgeist

In der Würze liegt der Gewinn

»In vino veritas« heisst es im Lateinischen, oder zu Deutsch: »Im Wein liegt die Wahrheit«. Aber gilt das auch für Kapitalanleger? Die edlen Tropfen sind nämlich längst nicht mehr nur Genussmittel. Bereits seit vielen Jahren interessieren sich auch Börsianer für Qualitätsweine, um mit den Flaschen auf Renditejagd zu gehen.

Während auf der einen Seite der zunehmende Wohlstand rund um den Globus den Rebensaft zum Inbegriff mondäner Trinkkultur macht, finden Investoren in den Premiumweinen eine neue Anlageklasse. Rückblickend zahlte sich eine Spekulation in das alkoholische Getränk aus – zumindest langfristig. Ablesen lässt sich dies am Spitzenwein-Index Liv-Ex 100. Wie der SMI die Wertentwicklung der wichtigsten Schweizer Aktien anzeigt, misst dieses Barometer die Preisausschläge von 100 der besten Weine. Darunter sind beispielsweise »rote Bluechips« wie der französische Lafite Rothschild 2005, der italienische Sassicaia 2013 oder der spanische Vega Sicilia 2009. Alles Namen, die die Geschmacksnerven von Weinkennern pulsieren lassen. Die Preise wiederum treiben den Aderschlag der Börsianer nach oben. In den vergangenen fünf Jahren verteuerte sich der Liv-Ex 100 um ein Viertel.

Das Herz des Weins schlägt in Frankreich
Die mit Abstand dominierenden Tropfen im globalen Premiumsegment kommen aus dem Weinbaugebiet Bordeaux mit einem Marktanteil von etwas mehr als 50 Prozent. Die Region gibt auch im Liv-Ex 100-Index den Ton an. Allerdings verliert das französische Anbaugebiet seit Jahren an Dominanz. Vor zehn Jahren betrug der Anteil des Landesteils an der Atlantikküste am Weltmarkt noch 96 Prozent. Ein Grund für diese Entwicklung ist, dass sich der Fein-Wein-Markt zunehmend breiter aufstellt. Wurden 2017 erst 4.500 Weine auf dem Sekundärmarkt gehandelt, waren es 2018 bereits mehr als 5.700 unterschiedliche Tropfen. Im vergangenen Jahr setzten sich vor allem die Toskana und die Champagne, die die  Spitzenreiterrolle mit einem besonders starken Volumen- und Preiswachstum einnahmen, in Szene.

Der derzeit teuerste Wein der Welt kommt aber immer noch aus Bordeaux. In einer Auktion war ein Liebhaber bereit, 219.000 Euro für einen Chateau Cheval Blanc, Jahrgang 1947, zu bezahlen. Die Weinpreise treiben aber nicht nur gut betuchte Sammler nach oben, sie werden durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Neben der Nachfrage und Produktion, die wiederum stark von den herrschenden klimatischen Bedingungen abhängen, spielt auch das Urteil von Kritikern eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Beispielsweise legte innerhalb von nur wenigen Stunden, nachdem das US-Lifestyle-Magazin »Wine Spectator« den Sassicaia 2015 zum »Wein des Jahres« ernannt hatte, dessen Preis um 25 Prozent zu.

Weinanlage für jeden
Wie bei Aktien auch, sollten sich Einsteiger bei der Anlage in erstrangige Gewächse von ausgewiesenen Experten beraten lassen. Wer das nicht möchte, sollte sich zumindest über die wichtigsten Markttrends in Fachpublikationen informieren. Der Handel der edlen Tropfen erfolgt in der Regel über zwei Wege: Einerseits über spezielle Weinauktionen wie beispielsweise bei der Firma Steinfels in  Zürich, die bereits seit 1975 jährlich vier bis sechs Versteigerungen durchführt. Darüber hinaus bieten international bekannte Häuser wie Christie’s oder Sotheby’s regelmässig Weinauktionen an. Andererseits besteht auch die Möglichkeit, mit speziellen Händlern oder Handelshäusern Geschäfte zu machen. Besonders wichtig ist, dass die Weine immer im Originalgebinde sind, also in der ursprünglichen Verpackung. Sollte beispielsweise die Original-Holzkiste fehlen, kann es zu einer deutlichen Wertminderung kommen.

Auch die Lagerung ist entscheidend bei einem Investment, denn damit die Qualität der Weine nicht leidet, müssen sie speziell aufbewahrt werden. Wer über keinen alten Weinkeller verfügt, findet in Klimaschränken eine gute Alternative, die es je nach Ausführung in unterschiedlichen Preisklassen gibt. Auch können Dienstleistungen von speziellen Weinlagerhäusern in Anspruch genommen werden.

Kenner wissen, dass ein guter Wein Zeit zum Reifen braucht. Wer also in Rebsäfte investieren möchte, sollte Zeit mitbringen. Darüber hinaus kann es nicht schaden, auch Weinliebhaber zu sein. Denn sollte die Spekulation auf einen höheren Preis nicht aufgehen, lässt sich der edle Tropfen immerhin noch selbst geniessen.